Zinsen gibt es nicht umsonst, auch nicht beim Crypto Lending (“Krypto-Kreditvergabe”). Wenn du eine Rendite auf dein Kapital erzielen willst, musst du dafür immer auch ein gewisses Risiko in Kauf nehmen. In der Regel gilt: Je höher die potenzielle Rendite, desto höher ist meist auch das Risiko. Kryptowährungen sind ein Paradebeispiel für diesen Marktmechanismus. Die Anlageklasse liefert zum Teil exorbitante Renditen; Anleger müssen aber oft auch relativ hohe Risiken eingehen. 

Das Crypto Lending soll Anlegern nun eine Möglichkeit bieten, bei vergleichsweise geringem Risiko trotzdem an der Innovationskraft der neuen Anlageklasse zu profitieren. Welche Risiken du genau eingehst, das erfährst du in diesem Artikel. Dabei musst du auch bedenken, dass sich die Risikoprofile von CeFi- und DeFi-Anbietern deutlich unterscheiden.

“Risiko entsteht, wenn du nicht weißt, was was du tust.”
Warren Buffett

Insolvenzrisiko: keine Einlagensicherung

Sparkonten bei Crypto Lending-Anbietern kannst du nicht mit Bankeinlagen vergleichen. Einlagen bei deutschen Banken unterliegen der gesetzlichen Einlagensicherung. Das heißt, falls die Bank zahlungsunfähig wird, garantiert dir der Staat deine Einlagen bis zu einer Obergrenze von 100.000 Euro pro Kunde pro Bank. Darüber hinaus unterhalten viele Banken ihre eigenen Sicherungsfonds, um die Einlagen noch zusätzlich abzusichern. Das Risiko ist bei Summen im fünfstelligen Bereich also sehr gering - für diese Sicherheit bezahlst du allerdings mit einer negativen Realrendite. 

Im Gegensatz dazu sind beim Krypto-Sparen, je nach Anbieter und angelegter Währung, zum Teil zweistellige Renditen möglich. Da Krypto-Sparkonten jedoch nicht durch die staatliche Einlagensicherung versichert sind, trägst du das Insolvenzrisiko. Sollte ein Anbieter Insolvenz anmelden, könntest du somit dein komplettes Sparguthaben verlieren. Die Guthaben würden dann Teil der Insolvenzmasse werden und du würdest im Rahmen des Insolvenzverfahrens als Gläubiger behandelt. Deshalb solltest du dich über die wirtschaftliche Gesundheit des Anbieters informieren und bei wenig etablierten Anbietern besonders vorsichtig sein. Dein Risiko beim Crypto Lending unterscheidet sich also zum Beispiel bei BlockFi von deinem Risiko bei Crypto.com

Im Gegensatz zu CeFi-Anbietern trägst du bei DeFi-Anbietern kein Insolvenzrisiko, da hinter DeFi-Angeboten kein privatwirtschaftliches Unternehmen steht. DeFi-Plattformen, wie beispielsweise Aave, können also nicht aus wirtschaftlichen Gründen “Pleite” gehen, sondern hier sind die Crypto Lending-Gefahren vor allem technischer Natur. 

Counterparty-Risiko: Was macht der Lending- Anbieter mit den Kryptowährungen?

Crypto Lending-Anbieter erhalten von den Sparern und den Kreditnehmern Kryptowährungen. CeFi-Anbieter regeln in ihren Vertragskonditionen, was sie mit dem bereitgestellten Kapital machen dürfen. Meist findet sich in den Konditionen ein Satz wie dieser: 

Auf Deutsch: Das Vermögen und die Kryptowährungen werden von uns verliehen, verkauft, verpfändet, verwendet, vergeben, investiert, genutzt, vermischt und anderweitig an Drittparteien weitergereicht. 

Das heißt, CeFi-Anbieter nutzen deine Kryptowährungen - egal ob du Sparer oder Kreditnehmer bist - um damit Zins- und Kapitalgewinne zu erwirtschaften. Sie verleihen sie zum Beispiel an Krypto-Börsen, Hedge Funds und andere institutionelle Investoren, sowohl über ihre Online-Plattformen als auch in Over-the-Counter (OTC)-Geschäften, also Geschäfte, die außerhalb der Plattform-Umgebung stattfinden. Dadurch entsteht ein Gegenpartei (“Counterparty”)-Risiko, denn sollte die Gegenpartei dieser Trades die Kryptowährungen nicht mehr zurückgeben (können), dann gerät der Lending-Anbieter möglicherweise in Zahlungsschwierigkeiten. Der Anbieter wird zwar versuchen, dieses Risiko durch Besicherung der Assets so weit wie möglich zu reduzieren, es ist für dich als Crypto Lending-Nutzer aber meist nicht ersichtlich, welche Risiken die Anbieter bei ihren OTC-Geschäften tatsächlich eingehen. Dieses Risiko besteht bei den meisten DeFi-Anbietern nicht, da sie die Assets nicht an Drittparteien verleihen, sondern nur an andere Nutzer der Plattform. 

Custody: Wie und wo werden die Kryptowährungen aufbewahrt?

Im Vergleich zu den Anfangsjahren der Krypto-Industrie herrscht heute ein deutlich größeres Verständnis für Sicherheitslücken und die IT-Infrastruktur der Anbieter ist sicherer geworden. Trotzdem gibt es immer wieder Hackerangriffe auf digitale Börsen, bei denen Kryptowährungen gestohlen werden. Auch auf Lending-Anbieter gab es bereits Cyber-Attacken, die bislang zwar noch nicht zum Verlust von Kryptowährungen geführt haben, private Daten sind aber bereits abhanden gekommen.

In puncto IT-Sicherheit kommt es vor allem darauf an, wie und wo deine Kryptowährungen aufbewahrt werden. Große Crypto Lending-Anbieter kooperieren dazu mit professionellen Custody- (“Verwahr-”) Dienstleistern wie z.B. Bitgo. Auch diese Dienstleister können die Sicherheit deiner Kryptowährungen zwar nicht garantieren, ihre Sicherheitskonzepte gelten in der Krypto-Branche jedoch als relativ verlässlich. 

Manche CeFi-Anbieter haben das Diebstahlrisiko auch mit privaten Versicherungen abgedeckt. Anders als die Einlagensicherung bei Banken versichern diese Policen nicht das Insolvenzrisiko des Anbieters, sondern technische Risiken oder den Diebstahl der Assets. Sie decken allerdings meist nur einen kleinen Teil des Gesamtvermögens ab, die die Anbieter verwalten. Bei einem schwerwiegenden Sicherheitsversagen würden deshalb auch diese Versicherungen den Schaden nicht komplett abdecken. Außerdem verleihen die Anbieter einen großen Teil der angelegten Kryptowährungen an Dritte, sie befinden sich also meist gar nicht in der Verwahrung der Lending-Anbieter. Deshalb solltest du diesen Versicherungen keine allzu große Bedeutung beimessen. Im Ernstfall wird dich die Versicherung nicht retten, sondern nur die Zahlungsfähigkeit des Crypto Lending Anbieters. 

DeFi-Anbieter haben keine solchen Versicherungen und sie arbeiten meist auch nicht mit Custody-Anbietern zusammen. Stattdessen verwaltest du deine Kryptowährungen in deinem eigenen Wallet, das du an die Online-Plattform anschließt. Als DeFi-Nutzer bist du somit selbst für deine Sicherheit verantwortlich - je nachdem, wie gut du dich auskennst, kann das entweder ein Vor- oder ein Nachteil sein. Das Crypto Lending-Risiko bei DeFi-Anbietern ist also nicht unbedingt die Krypto-Verwahrung, sondern eher, dass der Smart Contract der Online-Plattform technische Fehler aufweist. Wer sein Geld einer DeFi-Plattform gibt, vertraut somit dem Protokoll der Plattform und nicht in ein Unternehmen. 

Smart Contract-Risiko: Technik ist nicht unfehlbar 

Der Begriff “Smart Contract” kann zu Missverständnissen führen. Ein Smart Contract ist ein Softwarecode, der wie eine Wenn-Dann-Funktionen einen bestimmten Ablauf regelt. Er ist also immer nur so “smart” ist wie seine Entwickler. Da Menschen Fehler machen, ist es durchaus möglich, dass auch der Smart Contract Fehler aufweist, zum Beispiel Funktions- oder Sicherheitslücken. Er ist auch kein rechtlich gültiger Vertrag, sondern der Versuch sich technisch einem Vertrag im rechtlichen Sinne anzunähern.

Crypto Lending-Anbieter verwenden Smart Contracts, um die Funktionen ihrer Online-Plattformen zu automatisieren. Darin ist genau geregelt, was mit den Kryptowährungen passiert.  Besonders relevant sind Smart Contracts bei DeFi-Anbietern. Anders als bei CeFi-Anbietern gibt es hier keine Menschen, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Folglich kannst du dich auf niemanden verlassen, falls die Online-Plattform nicht funktioniert. Damit trägst du also das Risiko, dass der Smart Contract womöglich fehlerhaft agiert und du im schlimmsten Fall deine Kryptowährungen verlierst.  

Bei DeFi-Anbietern kannst du den Smart Contract meist selbst überprüfen, denn er ist in der Regel öffentlich einsehbar - dafür brauchst du aber das notwendige technische Verständnis. Andernfalls musst du auf die Entwickler und die Community vertrauen, die hinter der Plattform stehen. 

Infographik: Was ist ein Smart Contract

Rechtssicherheit: Es gibt kaum Präzedenzfälle 

Bei Kryptowährungen handelt es sich um eine neue Anlageklasse. Deshalb sind Regularien noch wenig entwickelt und auch die Rechtssicherheit ist noch nicht im gleichen Maße gegeben, wie bei anderen Anlageklassen. So sind zum Beispiel Steuerfragen bei Krypto-Vermögenswerten noch nicht abschließend geklärt und es besteht das Risiko, dass Gesetzgeber ihre Rechtsprechung im Hinblick auf Kryptowährungen in der Zukunft ändern. Das kann dann zwar auch zu deinem Vorteil sein, muss es aber nicht. 

Vor allem bei DeFi-Anbietern stellen sich rechtliche Fragen, da kein reguliertes Unternehmen hinter den Online-Plattformen steht. Sie haben keine Lizenzen, keinen Geschäftsführer und keine Verträge - für dieses Konzept gibt es in der heutigen Rechtsprechung kaum Präzedenzfälle. Wenn die Plattform nicht von einem Unternehmen betrieben wird, wen kannst du dann rechtlich belangen, wenn deine Assets verloren gehen? In den meisten Fällen hast du dann keine rechtliche Handhabe. 

Volatilität: vor allem ein Problem für Kreditnehmer

Viele Kryptowährungen unterliegen starken Preisschwankungen. Als Krypto-Sparer kannst du dieses Risiko leicht umgehen, indem du Stablecoins auf deinen Sparkonten anlegst - dafür kriegst du bei den meisten Anbietern sogar höhere Zinsen, die ebenfalls in Stablecoins ausgezahlt werden können. Stablecoins sind Kryptowährungen, deren Wert an einen anderen, wertstabilen Vermögensgegenstand gebunden sind, zum Beispiel an den US-Dollar. Auf diese Weise schwankt der Wert des Stablecoins nur so sehr wie der zugrundeliegende Vermögensgegenstand. Ein Volatilitätsrisiko hast du dann also nicht mehr. 

Bitcoin Kursentwicklung 2021 Die Bitcoin Kursentwicklung 2020/2021, Quelle: Tradingview

Bei manchen Lending-Anbietern sind die Zinssätze höher, wenn du optional einen Teil deines Vermögens in die Kryptowährung (bzw. den “Lending-Token”) des Anbieters investierst bzw ansparst. Dazu bieten viele Anbeiter sogennante Loyalty-Programme an. Du wirst incentiviert den Lending Token zu halten und erhälst im Gegenzug höhere Zinsen. Wenn du zu diesen höheren Zinssätzen anlegen willst, musst du dir über die Volatilität der dieser Lending-Token im Klaren sein. Meist sind das auch Token mit geringer Marktkapitalisierung und wenig Liquidität. Die Volatilität dieser Lending-Token ist also noch deutlich höher als beispielsweise bei Bitcoin. Um das zu vermeiden, kannst du auch einfach auf das Loyalty-Program verzichten. D.h. du bekommst dann einen niedrigeren Zins, aber musst keine Lending-Token halten. Du kannst bei manchen Anbietern auch einen höheren Zins bekommen, indem du dir die Zinsen im Lending-Token des Anbieters auszahlen lässt. Das ist jedoch das gleiche, als würdest du dein Geld direkt in den Lending-Token investieren: Du trägst dann das Volatilitätsrisiko des Lending-Tokens. 

Die Tatsache, das die Krypto-Kredite mit volatilen Kryptowährungen besichert werden, muss dich als Sparer nicht weiter stören. Krypto-Kredite werden immer “überbesichert”, das heißt, Crypto Lending-Anbieter halten immer mehr Haftungsmasse vor als sie an Krediten vergeben. Sobald sich der Wert der als Collateral (“Kreditsicherheit”) hinterlegten Kryptowährungen dem Wert des Kredites annähert, liquidiert der Anbieter automatisch einen Teil des Collaterals, um die Loan-to-Value Ratio (LTV) wieder herzustellen. Dadurch wird dein Risiko als Krypto-Sparer reduziert, denn die vergebenen Kredite haben kein Kreditausfallrisiko. 

Bist du allerdings Kreditnehmer, dann trägst du dieses Risiko sehr wohl, denn du verlierst bei hoher Volatilität womöglich einen Teil deines Collaterals. Bedenkt man, dass die Preise zum Beispiel bei Bitcoin zum Teil sehr schnell und sehr tief fallen können, dann reicht die Zeit manchmal nicht aus, um einen Margin Call noch zu bedienen. In diesem Fall würde dann das Collateral sofort liquidiert werden, ohne dass du noch reagieren kannst. Als Kreditnehmer solltest du außerdem die genauen Konditionen der Anbieter überprüfen. Manche Anbieter dürfen sogar dein gesamtes Collateral verkaufen, sobald die LTV eine bestimmte Schwelle überschreitet, auch wenn das nicht branchenüblich ist.